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Vorsicht bei „zu guten“ Arbeitszeugnissen

Jeder Mitarbeiter, der eine neue Arbeitsstelle sucht, ist auf einen möglichst lückenlosen Lebenslauf angewiesen und auf möglichst gute Arbeitszeugnisse der bisherigen beruflichen Stationen.

Arbeitszeugnis wahrheitsgemäß…

Ein Arbeitszeugnis muss wahrheitsgemäß abgefasst werden, klar und verständlich formuliert sein und darf keine „geheimen Botschaften“ enthalten.  Das ergibt sich bereits aus Par. 109 Gewerbeordnung:

(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.
(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

…und wohlwollend

Das Arbeitszeugnis darf dem Mitarbeiter bei seiner weiteren Stellensuche keine „Steine in den Weg“ legen, muss also auch wohlwollend sein. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber Fehler nicht stärker betonen darf als Vorzüge des Mitarbeiters in der Arbeit.

Wird das Wohlwollen übertrieben, kann sich der AN verspottet fühlen (vgl. ArbG Herford 19.7.2017, BeckRS 2017, 141829). Der Maßstab des Wohlwollens steht zum Grds. der Zeugniswahrheit in einem Spannungsverhältnis (Göldner ZfA 1991, 225) und mindert den Wert erteilter Zeugnisse (Naber/Schulte/Tisch BB 2019, 757 (762)). Das Zeugnis kann und darf nur iRd Wahrheit verständig wohlwollend sein.
(ErfK/Müller-Glöge, 22. Aufl. 2022, GewO § 109 Rn. 27)

… und nicht „übertrieben“

Manche Chefs überlassen den Mitarbeitern das Schreiben des Zeugnisses, frei nach dem Motto: „wenn Du es Dir selber schreibst, dann gibt es hinterher kein Gemecker.“  Dabei übertreiben es manche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Superlativen und besten Leistungen, hervorragender Umsetzung von selbständig erworbenem vertieftem Fachwissen in die Praxis natürlich auch unter Stress und Termindruck wurden stets nur beste Arbeitsergebnisse erzielt. Der Umgang mit Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war natürlich auch noch „stets vorbildlich“.

Wer es mit der Selbstdarstellung übertreibt wird unglaubwürdig. Eine „Eins mit Stern“ wird bei einem erfahrenen Personaler und Vorgesetzten eher ein zweifelndes Stirnrunzeln erzeugen als eine „Solide Zwei“; denn die Zeugnissprache kann in Schulnoten übersetzt werden und Mitarbeiter, die in allen Teilbereichen der beruflichen Tätigkeit, im Führungs-, Leistungs- und im Sozialverhalten nur „Bestnoten“ aufs Papier bringen, die werden schon auch mal wegen Übertreibung nicht in die zweite Runde des Bewerbungsverfahrens kommen.

Bei Fragen rund ums Arbeitszeugnis – fragen Sie einen Fachanwalt für Arbeitsrecht. Ich berate Sie gern.

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