Überspringen zu Hauptinhalt

Audi – gen:dern – bleibt Thema für die Gerichte

Die Medienberichterstattung über den Mitarbeiter „bei Audi“, der sich gegen die Verpflichtung gewandt hat, in seiner beruflichen Kommunikation „gendern“ zu müssen ist in vielerlei Hinsicht etwas „oberflächlich“ ausgefallen. So berichtete der BR u.a.:

Landgericht Ingolstadt wurde falsch verstanden

Der Kläger möchte „in Ruhe gelassen werden mit dieser Gendersprache“. So formuliert es sein Anwalt Dirk Giesen. Der Kläger will die Audi AG per Unterlassungsklage verpflichten, ihm künftig keine Mails und Präsentationen mit Gender-Gaps mehr zu schicken. Die Unterstriche verletzten sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, so sein Anwalt. Seine Forderung: 100.000 Euro soll Audi zahlen müssen, wenn das Unternehmern weiterhin Mails an seinen Mandaten verschickt die zum Beispiel solche Formulierungen enthalten: Der_die BSM-Expert_in ist qualifizierte_r Fachexpert_in.“

Quelle:  BR.de

Das gibt das landgerichtliche Urteil schon im Tatbestand anders wieder:

Der Kläger ist Mitarbeiter der „V-AG“, heißt es in dem Urteil des Landgerichts Ingolstadt, Aktenzeichen 83 O 1394/21, vom 29.07.2022, veröffentlicht u.a. in der Urteilsdatenbank „beck-online“ unter BeckRS 2022, 19421.

Audianer ist Mitarbeiter der „V-AG“

Damit entpuppt sich der in der Presse als „Audi-Mitarbeiter“ oder Audianer genannte Mitarbeiter als – so fernliegend ist die Umschreibung gerade nicht – Mitarbeiter der Volkswagen AG, dem Mutterkonzern von Audi.

Der betroffene Mitarbeiter ist auf Konzernebene in einem markenübergreifenden Gremium tätig, aber eben gerade nicht „Mitarbeiter“ bei Audi. Schon deswegen fällt die Arbeitnehmereigenschaft in Bezug auf Audi hinfort und damit auch Ansprüche, die unmittelbar mit einem Arbeitnehmerstatus einhergehen, wie z.B. einen Unterlassungsanspruch aus Par. 21 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Auch scheitern Ansprüche aus Par. 823 Abs.1, 1004 Abs. 1 Satz 2 analog Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit Art. 2 Abs.1 und Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz schon daran, dass der Kläger im Verhältnis zu Audi nicht „aktivlegitimiert“ (weil nicht Mitarbeiter, nicht betroffen) ist.

fake news – 100.000 Euro soll Audi zahlen müssen…

Gänzlich verfehlt ist die Behauptung, der Kläger hätte von Audi 100.000 Euro gefordert, „wenn das Unternehmen weiterhin Mails“ an den Kläger verschicke, die nach dem „Gender-Leitfaden“ geschrieben sind.

Der Antrag der Anwälte des Klägers lautete, der Streitwert möge vom Landgericht Ingolstadt auf 100.000 Euro festgesetzt werden. Der Streitwert indes ist nur die Wiedergabe der Bedeutung des Rechtsstreits, z.B. in Form eines wirtschaftlichen Interesses der Streitparteien am Ausgang des Verfahrens. Nach dem Streitwert bemessen sich die Gerichtskosten und die zu zahlenden Anwaltsgebühren – das Landgericht Ingolstadt hat übrigens den Streitwert in seinem Urteil auf 10.000 Euro (zehntausend) festgesetzt.

gen:dern bleibt Thema für die Gerichte

Aus dem Urteil des Landgerichts Ingolstadt lässt sich mithin gerade nicht herauslesen, dass der Arbeitgeber dem Mitarbeiter die aktive Verwendung einer entsprechenden Schreib- oder Sprachform vorschreiben kann. Das Landgericht deutet in seinen Urteilsgründen vielmehr dahin, wo die rechtliche Diskussion in Zukunft fortgesetzt werden dürfte:

Im Zivilrecht ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht seit der Leserbrief-Entscheidung (BGH NJW 1954, 1404) als „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Es gewährleistet dem Einzelnen einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung, in der er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann (…) Die geschlechtliche Identität ist vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst (…) Eine Person darf deshalb nicht entgegen ihrem Rollenverständnis angeredet und angeschrieben werden (vgl. BVerfG NJW 2012, 600 Rn. 12 f.). Maßgeblich ist insoweit der allgemeine deutsche Sprachgebrauch“

Landgericht Ingolstadt, a.a.O, Tz. 57, 58

Dadurch dass der Kläger im vorliegenden Fall „geschlechtsneutral“ angeschrieben wurde, erführe er jedoch keine spezifische Gefährdung der Wahrung seiner Persönlichkeit, so das Landgericht.

Das „gen:dern“ bleibt ein Thema für die Gerichte, besonders im Arbeitsrecht. Bei Fragen rund um Ihre Mitarbeiter und Ihren Arbeitsplatz – fragen Sie mich gerne.

 

An den Anfang scrollen