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Kindergartenstreik – einfach daheim bleiben?

„Guten Morgen“, wenn die Kinder zu Hause bleiben müssen und ein Elternteil der Arbeit fernbleiben muss weil der Kindergarten bzw. die Kindertagesstätte streikt? Im Frühstücksradio hatte ich mich überrascht, als der „Guten Morgen“-Moderator von RTL Radio den betroffenen Eltern Par. 616 BGB gleich mehrfach zurief – das Gehalt sei sicher, wenn der Kindergarten streikt… Ein Bericht von Spiegel-Online brachte den Stein ins Rollen.

Kurz gefasst verstand ich die Meldung wie folgt: „streikt der Kindergarten ist das Gehalt dennoch sicher“…
Die Sache ist meines Erachtens nicht ganz so einfach.
Etwas ausführlicher dargestellt wird der Kern des Problems deutlich: Im Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (6. Auflage, 2012, Par. 616 BGB Rn. 35) findet sich folgende Erläuterung:

(ZITAT)
Im Fall der nicht vorhersehbaren Notwendigkeit, ein Kind oder eine sonstige betreuungsbedürftige Person, mit welcher der Arbeitnehmer in einem Haushalt wohnt, selbst zu betreuen, verlagert § 616 bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen das Entgeltrisiko auf den Arbeitgeber. Aus diesem Grundsatz ergibt sich der Anspruch des Arbeitnehmers auf Fortzahlung der Vergütung bei der Pflege erkrankter Kinder. Er ist auf sonstige Fälle, in denen unvorhersehbar die Betreuungsmöglichkeit entfällt, übertragbar. Beispiele bieten der unvorhersehbare Ausfall der Kindergartenbetreuung oder der Schule zB durch Witterungseinflüsse, höhere Gewalt (Schulschließung aus Umweltgründen oder nach einem Brand) oder durch einen nicht angekündigtem Streik der Erzieherinnen. Gleiches gilt, wenn zB eine Tagesmutter plötzlich erkrankt. Unerheblich ist, ob der Auslöser, zB ein Tarifkonflikt, eine unbestimmte Zahl von Arbeitnehmer trifft und daher zu den objektiven Hinderungsgründen zählt.

Der erforderliche in der Person liegende Grund ist jeweils der Betreuungsbedarf. Im Vergleich zum Pflegebedarf erkrankter Kinder ist der persönliche Betreuungsbedarf gesunder Kinder aber deutlich geringer zu veranschlagen. Eltern und Kindern kann zugemutet werden, die Kinder kurzfristig in die Obhut Dritter zu geben. Die Altersgrenze, ab der Kinder allein in der Wohnung gelassen werden können, ist ebenfalls deutlich niedriger anzusetzen.
(ZITAT ENDE)

 

Daraus ergibt sich meiner Meinung nach, dass es sich um einen Fall handeln muss, in dem der Wegfall der Betreuungsmöglichkeit „unvorhergesehen“ also plötzlich eintritt. Bei einem über einige Tage vorher angekündigten Streik habe ich da meine Zweifel, denn – so argumentiert auch der Münchner Kommentar – ist den Eltern dann zuzumuten, die Kinderbetreuung anderweitig zu organisieren.
Mit anderen Worten: Je länger der Streik angekündigt ist, desto eher ist eine Anspruch auf den Lohn nach Par. 616 BGB für den betroffenen Elternteil fraglich. Ebenso gilt das, je länger ein Streik dauert. Auch dann dürfte den Eltern zuzumuten sein, die Betreuung der Kinder anderweitig zu organisieren.

Spiegel-Online hat in einem Beitrag die rechtlich kniffligen Fragen angesprochen, meines Erachtens etwas zu sehr „zwischen den Zeilen“.

Jedenfalls ist wichtig und richtig, im Falle eines sich abzeichnenden Streiks von Betreuungseinrichtungen und auch bei plötzlich eintretenden Fällen, in denen ein Elternteil zur Betreuung eines Kindes zu Hause bleiben muss, sofort mit dem Arbeitgeber Kontakt aufzunehmen und diesen zu informieren und eventuell bestehende Alternativen zu besprechen.

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