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BAG bestätigt erneut die Grenze des Übertragungszeitraumes für Urlaubsansprüche langzeiterkrankter Mitarbeiter

Die Diskussion über die Grenzen der Übertragbarkeit von Urlaubsansprüchen hatte das Landesarbeitsgericht (LAG)  Baden-Württemberg mit seiner zustimmungswürdigen Entscheidung vom 21.12.2011 (10 Sa 19/11) eröffnet.  Urlaubsansprüche bei anhaltender Krankheit waren ein Thema geworden nach der Schulz-Hoff-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ( EuGH) (Urteil vom 20. 1. 2009 – C-350/06 und C-520/06). Der EuGH entschied damals, dass ein Mitgliedstaat den mit der Richtlinie 2003/88/EG allen Arbeitnehmern unmittelbar verliehenen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei ordnungsgemäß krankgeschriebenen Arbeitnehmern nicht von der Voraussetzung abhängig machen kann, dass sie während des von diesem Staat festgelegten Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet haben; mit anderen Worten, bei Krankheit auch ein ganzes Jahr lang, bleibt der Urlaubsanspruch für dieses Jahr bestehen.

Dieser fortbestehende Anspruch erlischt nach der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg jedoch spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres und ist deshalb auch bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten. Dieser Rechtsprechung ist das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Urteil vom 07.8.2012 – 9 AZR 353/10 gefolgt. Der EuGH hatte mit seiner Entscheidung vom 22. 11. 2011 − C-214/10 (KHS AG/Winfried Schulte) entschieden, dass eine Begrenzung des Übertragungszeitraumes auf 15 Monate unionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

Diese Rechtsprechung hat das BAG nun erneut bestätigt und sog. „Orientierungssätze des Gerichtes“ in seinem Urteil vom 16.10.2012 – 9 AZR 63/11 formuliert:

1. Der gesetzliche Urlaubsanspruch erlischt aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 III BUrlG nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder eines Übertragungszeitraums von drei Monaten nach diesem Zeitpunkt krank und deshalb arbeitsunfähig ist. Der Anspruch geht jedoch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres unter.

2. Weder Art. 31 II EU-GRCharta noch die Grundsätze über die unmittelbare Geltung von Richtlinien gegenüber dem Staat und seinen Einrichtungen stehen einer solchen unionsrechtskonformen Auslegung des BUrlG entgegen. (Orientierungssätze des Gerichts)

Anlass für diese Entscheidung war eine Klage eines schwerbehinderten dauerhaft erkrankten Arbeitnehmers, der für meherere Jahre Urlaubsabgeltung begehrte und zunächst vom LAG München (Urteil vom 30.11.2010 – 6 Sa 684/10) Recht bekam und meinte, nach Art. 31 Abs. 2 der europäischen Grundrechtecharta („Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.“) die bisherige Rechtsprechung des BAG angreifen zu können.  Eine Verjährung der Urlaubsansprüche, so meinte der Kläger, setze seine Genesung voraus. Deshalb seien alle Altansprüche noch vorhanden.

Dem widersprach das BAG: Das Unionsrecht hindert  nach der Entscheidung des EuGH vom 22.11.2011 eben gerade nicht, die nationale Bestimmung des § 7 Abs. 3 BUrlG anzuwenden, auch diese sieht eine Grenze der Übertragbarkeit für Urlaubsansprüche vor. Der EuGH und mit ihm das BAG haben diese Grenze im Fall der langzeiterkrankten Mitarbeiter auf 15 Monate festgesetzt.

Die Rechtsfrage zur Grenze der Übertragung von Urlaubsansprüchen dürfte damit als geklärt angesehen werden.

 

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