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„Scheinbewerber“ mit langem Atem

Ein Fall eines Assessors, der sich auf eine Trainee-Stelle beworben hat, hat letztlich nach 9 Jahren einen rechtlichen Abschluss gefunden. Herr K. hatte sich auf eine Stellenausschreibung eines Versicherungskonzerns beworben. Die Stelle war nach ihrem Zuschnitt erkennbar auf „Berufsanfänger“ ausgerichtet. Der Versicherungskonzern, der im März 2009 die Stellenausschreibung veranlasste, stellte letztlich vier Bewerberinnen ein.

Senior-Bewerber wegen Alters diskriminiert?

Herr K. fühlte sich deswegen gleich mehrfach diskriminiert und klagte durch alle Instanzen. Er sei trotz vergleichbarer Eignung und Berufserfahrung nicht berücksichtigt worden, weil er „zu alt“ und ein Mann sei, so die Begründung des Klägers.

Das Verfahren beschäftigte die Arbeitsgerichte und den Europäischen Gerichtshof, dessen Urteil vom 28.07.2016, C-423/15 dazu führte, dass der „Scheinbewerber“ i.e.S. aus dem Schutzbereich der Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung und zur Verwirklichung der Chancengleichheit und Gleichbehandlung in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (RL 2000/78 und 2006/54) herausfiele.

Verfahren dauert fast 10 Jahre

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nach Erhalt der Akten vom EuGH den klägerischen Anspruch auf Entschädigung für teilweise begründet angesehen (Urteil vom 26.01.2017 – 8 AZR 848/13). Dabei sah das BAG die Ernsthaftigkeit des Herrn K. als gegeben an, weil dieser zur Zeit der Bewerbung arbeitssuchend gemeldet war und sich augenscheinlich um eine Anstellung bemüht hatte.

Das Verfahren wurde an das hessische Landesarbeitsgericht (LAG) zurückverwiesen. Das LAG hat mit Urteil vom 18.06.2018 – Aktenzeichen 7 Sa 851/17 dem Bewerber eine Entschädigung in Höhe von 14.000 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.06.2009 zugesprochen.

Damit hat sich die Hartnäckigkeit des Bewerbers letztlich ausgezahlt. Für Arbeitgeber heißt dieses Urteil, dass der „klassische“ Scheinbewerber nur noch unter erschwerten Bedingungen ausgemacht werden kann und vorsichtshalber auch potentielle Bewerber die aus dem „Zielraster“ des Arbeitgebers fallen nur diskriminierungsfrei  aus dem Bewerbungsprozess verabschiedet werden dürfen.

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