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Arbeitnehmerstatus – eine Frage von weitreichender Bedeutung

Das Strafverfahren vor dem Amtsgericht Augsburg gegen den früheren Fraktionsvorsitzenden der CSU im Bayerischen Landtag, Georg Schmid, hat die Bedeutung der Frage, ob ein Mitarbeiter „freier Mitarbeiter“ oder Angestellter ist, erneut in das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt. Wir haben in anderem Zusammenhang bereits über Verfahren berichtet, die sich vor den Arbeitsgerichten mit dieser Frage beschäftigen. Vor den Arbeitsgerichten wird die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis besteht „Statusfeststellung“ genannt, weil damit der „Arbeitnehmerstatus“ geklärt wird.

Ob ein Arbeitsverhältnis oder ein „freies Dienstverhältnis“ vorliegt, ist an den Kriterien jedes Einzelfalles zu beurteilen. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte und des Bundesarbeitsgerichts hierzu ist ausdifferenziert und erlaubt eine genaue Prüfung.

Aus einem Urteil des Arbeitsgerichts Kempten (Allgäu) das wir erstritten haben ergibt sich diese Prüfung sehr genau:

Der freie Dienstvertrag und das Arbeitsverhältnis unterscheiden sich durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalles an (BAG v. 19.01.2000 – 5 AZR 644/98 Rn. 22). Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend (vgl. BAG v. 17.04.2013 – 10 AZR 272/12 Rn. 15 m. w. N.). (Arbeitsgericht Kempten (Allgäu), Teilurteil vom 16.04.2014, Aktenzeichen 5 Ca 982/13, bestätigt durch Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 24.02.2015, Aktenzeichen 6 Sa 407/14)

Zu den Kriterien, nach denen sich die Arbeitnehmereigenschaft beurteilt, gehört u.a.

  • ist der Mitarbeiter in der Einteilung seiner Arbeitszeit unabhängig oder zeitlich weisungsabhängig?
  • bezieht der Mitarbeiter monatlich eine gleichbleibende Vergütung?
  • hat der Mitarbeiter noch andere Auftraggeber?
  • trägt der Mitarbeiter ein eigenes unternehmerisches Risiko?
  • bedient sich der Mitarbeiter der Betriebsmittel, die ihm der Arbeitgeber zur Verfügung stellt?
  • ist der Mitarbeiter in eine betriebliche Organisation oder Struktur eingegliedert?
  • findet eine Einteilung von Arbeitszeiten durch Dienstpläne statt?

Im Zweifelsfall empfehlen wir ein Anfrageverfahren nach Par. 7a Sozialgesetzbuch IV (SGB IV). Wird der Antrag innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und ergibt sich daraus, dass ein Beschäftigungsverhältnis doch sozialversicherungspflichtig ist, drohen in aller Regel keine strafrechtlichen Konsequenzen.

Bei Fragen rund ums Arbeitsrecht – wir beraten Sie gerne!

 

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