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Wenn Gen:dern zur Pflicht wird… Arbeitnehmer:innen wehren sich

Jüngst erfuhr ich von einem Vorgang, der im besten Sinne des Wortes „be-denkens-wert“ ist: in einem Betrieb gibt es eine „speech policy“, die das gen:dern vorsieht, angeblich um „diskriminierungsfrei“ zu kommunizieren.
Eine Mitarbeiterin des Unternehmens gab in einer internen E-Mail-Korrespondenz Kollegen gegenüber zu erkennen, dass sie von dem „gen:dern“ nichts hält und die deutsche Sprache lieber so anwendet, wie sie es in der Schule gelernt hat und im Duden nachlesen kann.

Die Sprache von Goethe, Schiller und Kant

Der von mir sehr geschätzte Rechtsanwaltskollege Gerhard Strate hat in einem Beitrag in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW-Aktuell 28/2020) die „Gendersprache vor Gericht“ skizziert und die Vorgänge mit und um unsere Sprache als „Warnsignal“ bezeichnet.

Immer mehr Menschen scheint es tatsächlich denkmöglich zu sein, die Sprache Goethes, Schillers und Kants per Dekret in ein unaussprechliches linguistisches Monster umzuformen

Sprachgebrauch als arbeitsrechtliches „Soll“?

Dass der „korrekte“ Sprachgebrauch, der Einsatz der deutschen Sprache in Wort und Schrift, zu den Mindestvoraussetzungen der (neudeutschen) „employabiity“ gehört, das steht außer Frage. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in einem Urteil Anfang des Jahres 2010 mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern Kenntnisse der deutschen Schriftsprache verlangen darf. (BAG, Urt. v. 28.01.2010 – 2 AZR 764/08)

Der korrekte Sprachgebrauch wird heute noch mit der deutschen Hoch- und Schriftsprache definiert. Auch Paragraf 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes bestimmt unbestritten „Die Gerichtssprache ist deutsch“. Dabei wird der Gebrauch einer deutschen Mundart (Dialekt) bei gerichtlichen Verhandlungen zugelassen, wenn alle Beteiligten sie verstehen; gegebenenfalls muss ein Dolmetscher aushelfen.

Jenseits dieser regionalen Besonderheiten ist – zum Glück – der Duden noch verschont geblieben von gendersternchen, Binnen-I, Unterstrich und Doppelpunkt. Gen:dern gehört nicht zur deutschen Sprache und hat dort auch nichts verloren. Wer sich des gen:derns bedient, wie das eine Vielzahl von Journalistinnen und Journalisten besonders im Rundfunk bereits tun, trägt bei zur Deformation eines soziokulturellen Kontextes unserer Gesellschaft, der Sprache. Sprache ist so viel mehr als nur Worte (das auszuführen führte an dieser Stelle zu weit) und doch gehen Sprache und denken, fühlen, benennen, einordnen, sich orientieren und zurecht finden einher.

Gegen Abmahnungen zu Gericht!

Die Mitarbeiterin in dem eingangs genannten Fall äußerte sich in internen E-Mails kritisch zum Vorhaben der Unternehmensführung, künftig gen:dern den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorzuschreiben. Sie wurde daraufhin in die Personalabteilung einbestellt mit dem Hinweis, dass sie eine Abmahnung zu erwarten habe, wenn sie bei ihrer Weigerung bliebe.

Betroffenen Mitarbeitern ist in solchen und ähnlichen Fällen anzuraten, zunächst zu Gesprächen mit der Personalabteilung und Vorgesetzten ein Mitglied des Betriebsrates hinzuzuziehen. Darauf haben sie einen gesetzlichen Anspruch aus Paragraf 84 Betriebsverfassungsgesetz. Gen:dern eignet sich schlicht nicht als „arbeitsvertragliches Soll“ und ist mithin nicht Gegenstand oder Inhalt einer arbeitsvertraglichen Leistung, die vom Arbeitnehmer geschuldet oder vom Arbeitgeber gefordert werden kann. Eine Abmahnung wegen der Weigerung, zu gen:dern sollte deshalb ohne zu zögern vor Gericht auf den Prüfstand gestellt werden.

Die Mitarbeiter:innen, die schlicht keine Lust haben, zu gen:dern, oder sich aus innerer Überzeugung dagegen entscheiden, denen muss der Gebrauch der deutschen Hoch- und Schriftsprache ohne „schmückenden Zierrat“ weiterhin zu gestatten sein, frei von arbeitgeberseitiger Repression.

Den Gen:der-Bestrebungen in Politik und Gesellschaft sollte freundlich und bestimmt Einhalt geboten werden, wenn und solange, jene Politik – anders als in Frankreich – so wenig Sprachgefühl aufbringt, die eigene Sprache als Kulturgut vor Verunstaltung zu schützen. In der Zukunft sollte der kollektiven Diagnose „Amorphognosie“ vorgebeugt werden, der durch eine Durchgen:derung der Sprache der Weg geebnet würde.

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