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Schadensersatz wegen Diskriminierung / AGG / Rückwirkung der Klageerhebung

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist das Ergebnis der Umsetzung europäischen Rechts. Besonders die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16) hat das AGG geprägt.

Seit 18.08.2006 ist das AGG in Kraft und so möchte man meinen, dass die wesentlichen Gesichtspunkte der Vermeidung von Diskriminierung am Arbeitsplatz bei den Arbeitgebern bekannt sind. Nicht jedoch so in unserem Fall, der das Bundesarbeitsgericht (BAG) beschäftigte.

Vorab sollte man Par. 15 AGG  zumindest teilweise gelesen haben:

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(…)

 

Die Arbeitgeberin betreibt Hallenbäder und Freibäder. Die Klägerin ist wegen einer Erkrankung mit MS mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert. Nach dreijähriger Ausbildung zur Fachangestellten für Bäderbetriebe hatte sie sich bei der Beklagten für einen befristeten Arbeitsvertrag als Elternzeitvertretung beworben. Bei der Besichtigung des künftigen Arbeitsplatzes erwähnte sie ihre Behinderung. Die Beklagte zog daraufhin ihr Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin wegen ihrer Behinderung nicht in der Lage sei, die vertragliche Tätigkeit auszuüben.

Deswegen erhob die Klägerin unmittelbar, d.h. ohne vorherige außergerichtliche Aufforderung nach Par. 15 Absatz 4 AGG, Klage gegen die Arbeitgeberin auf Schadensersatz und Entschädigung.

Die Klage wurde der Beklagten einen Tag nach Ablauf der Frist von zwei Monaten zur Geltendmachung der Ansprüche aus Par. 15 Abs. 1 und 2 AGG zugestellt. Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben und der Klägerin einen Schadensersatz in Höhe von 90,40 Euro und eine Entschädigung in Höhe von 4.500 Euro zuerkannt.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Urteil vom 30.5.2013 – 4 Sa 62/13) hatte die Klage wegen Nichteinhaltung der Frist des Par. 15 Abs. 4 AGG abgewiesen. Die Revision der Klägerin vor dem BAG in Erfurt  hatte Erfolg (Urteil vom 22.5.2014 – 8 AZR 662/13).

Die höchsten Deutschen Arbeitsrichter haben zu Gunsten der Klägerin eine Rückwirkung der Klageerhebung im Sinne von Par. 167 ZPO angenommen. Damit haben sich die Richter am BAG nun auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) angeschlossen, der festgestellt hatte, dass die fristgerechte Klageerhebung auch dann zur Wahrung einer eigentlich außergerichtlichen Frist erfolgt und die Zustellung der Klage „demnächst“ erfolgt. (BGH, Urteil vom 17.07.2008 – I ZR 109/05).

Nachdem die vom Arbeitgeber nicht berücksichtigte Mitarbeiterin rechtzeitig im Sinne von Par. 15 Abs. 4 AGG die Klage erhob, wurde der Rechtsstreit vom BAG an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Arbeitnehmer können Ihre Ansprüche gegen den Arbeitgeber fristwahrend auch mittels Klage geltend machen, stellt das BAG fest. Ob das im Einzelfall auch sinnvoll und dem Arbeitsverhältnis dienlich ist, sollten die betroffenen Arbeitnehmer mit einem auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt besprechen.

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