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offene Videoüberwachung am Arbeitsplatz – Probleme bei der Kündigung

Videoüberwachung ist in Ladengeschäften fast schon an der Tagesordnung. Die Inhaber der Geschäfte wollen sich vor „Schwund“ durch Diebstahl schützen. Dabei sind nicht nur die Kunden im Fokus des Argwohns, auch Mitarbeiter, die „in die Kasse greifen“ oder Ware „mit nach Hause nehmen“. Einen solchen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden (BAG, Urt. v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18)

Fehlbestand bei Ware und Kasse 

In einem Tabak- und Zeitschriftenhandel mit angeschlossener Lottoannahmestelle hatte die Inhaberin spätestens im Februar 2016 eine offene Videoüberwachung installiert, um Straftaten von Kunden und Arbeitnehmern zu verhindern.

Im Laufe des Jahres wurde ein merklicher Fehlbestand bei Tabakwaren festgestellt. Der Arbeitgeber sah sich daraufhin die Videoaufzeichnungen, die länger als 6 Monate gespeichert waren, noch einmal genauer an:

Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom fristlos „wegen der begangenen Straftaten“. Am 4. Februar 2016 habe die Klägerin gegen 10:05 Uhr wiederum den Verkauf einer Schachtel Zigaretten nicht registriert und den vereinnahmten Betrag in die Lottokasse gelegt. Um 12:20Uhr habe sie eine Tabakdose im Wert von 18,50 Euro verkauft, aber nur 1,00 Euro in die Sortimentkasse gelegt und den Restbetrag „für eigene Zwecke vereinnahmt“. Überdies habe sie es nach dem Verkauf einer Schachtel Zigaretten unterlassen, den Zahlungsbetrag in die Sor- timentkasse einzugeben. Um 13:03 Uhr habe sie den Verkaufsraum für zwei Minuten mit der Lottokasse verlassen.

wer klaut, der fliegt! Manchmal reicht schon der Verdacht…

Dagegen hat sich die Klägerin rechtzeitig mit einer Klage gewandt. Sie habe kein Geld für sich vereinnahmt, sondern Warenverkäufe stets in die Registrierkasse eingebucht und das vom Kunden überreichte Geld jeweils in „die Kasse“ gelegt. Eine Verdachtskündigung scheide auch deshalb aus, weil sie zu den Vorwürfen nicht ordnungsgemäß angehört worden sei.

Die Arbeitgeberin kündigte das  Arbeitsverhältnis  außerordentlich fristlos. Der Kündigungsschutzklage hatten das Arbeitsgericht Iserlohn (Az. 4 Ca 1501/16) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm (Az. 2 Sa 192/17) stattgegeben. Das LAG hatte die Auffassung vertreten, dass ein Beweisverwertungsverbot jedenfalls daraus folge, dass er „die Videoaufnahmen“ für die betreffenden Tage erst knapp sechs Monate später und damit zu einem Zeitpunkt ausgewertet worden seien, zu dem er sie gemäß § 6b Abs. 5 BDSG aF längst hätte gelöscht haben müssen. In dem monatelangen Unterbleiben der Löschung liege eine besonders schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin.

offene Videoaufnahmen einer Straftat sind verwertbar

Das Bundesarbeitsgericht hob die Entscheidung des LAG auf und verwies den Rechtsstreit an das LAG zurück: war die betreffende Maßnahme nach den Vorschriften des BDSG aF zulässig, liegt insoweit keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor (BAG 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 – Rn. 17, BAGE 159, 380; 29. Juni 2017 – 2 AZR 597/16 – Rn. 22, BAGE 159, 278). Ein Verwertungsverbot scheidet von vornherein aus, so die Erfurter Richter.

Anhörung des Arbeitnehmers wichtig

Wichtig – und im vorliegenden Fall noch nicht abschließend geklärt – ist, den betroffenen Arbeitnehmer ergebnisoffen zu den gegen ihn bestehenden Verdachtsmomenten anzuhören und als Arbeitgeber die Anhörung ordentlich zu dokumentieren. Wird nämlich bei einer Verdachtskündigung der Arbeitnehmer zwar „formal“ angehört, ihm jedoch in Aussicht gestellt, die Kündigung erfolge, egal, wie er sich einlasse, so ist die Anhörung unwirksam und die Kündigung kann daran scheitern.

Bei Fragen rund um Kündigungen im Arbeitsverhältnis – wir beraten Sie gerne.

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