Die Medienberichterstattung über den Mitarbeiter "bei Audi", der sich gegen die Verpflichtung gewandt hat, in…
EuGH bestätigt Recht auf freie Anwaltswahl
Der europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer Vorabentscheidung auf eine Vorlage durch das oberste Gericht der Niederlande sich mit einer Formulierung in Rechtsschutz-Vertragsbedingungen auseinandergesetzt, die vorsehen, dass Rechtsschutzfälle von Versicherten zunächst von den eigenen Mitarbeitern der Versicherung bearbeitet werden. Falls jedoch die Bearbeitung der Angelegenheit nach dem Vertrag oder nach der Auffassung des Versicherers einem externen Rechtsvertreter übertragen werden muss, soll der Versicherungsnehmer berechtigt sein, einen Rechtsanwalt seiner Wahl zu bestimmen.
Die Versicherung will durch ein solches Vorgehen die Kosten senken, weil sie zunächst die Sachbearbeitung durch eigene Mitarbeiter erledigen lässt und insoweit dem Versicherten keine Wahl lässt, ob er einen Anwalt bereits zu einem frühen Stadium beauftragt.
Das zu Grunde liegende Problem ist fast alltäglich:
ein Arbeitnehmer wird entlassen und möchte seinen früheren Arbeitgeber verklagen, weil er der Meinung ist, der Arbeitgeber habe ihn ungerechtfertigt entlassen. Zu diesem Zweck möchte der Arbeitnehmer sich durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl unterstützen lassen und die Kosten dafür von seinem Rechtsschutzversicherer tragen lassen. Die Versicherung erklärte sich mit der Erhebung der Klage einverstanden, meinte aber, der vom Arbeitnehmer abgeschlossene Versicherungsvertrag decke die Kosten rechtlichen Beistands durch einen Rechtsanwalt nach Wahl des Versicherten nicht ab. Die Versicherung erklärte sich lediglich bereit, dem Arbeitnehmer selbst rechtlichen Beistand durch einen ihrer Mitarbeiter zu gewähren.
Die Rechtsschutzversicherung weigerte sich in der Folge, die Kosten für rechtlichen Beistand zu übernehmen, die durch einen vom Arbeitnehmer selbst gewählten Rechtsanwalt angefallen waren. Das Gericht des vorläufigen Rechtsschutzes in Amsterdam hatte den Antrag des Arbeitnehmers auf Verurteilung seiner Versicherung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht bestätigte dieses erstinstanzliche Urteil. Gegen dieses Berufungsurteil ging der Arbeitnehmer vor das oberste Gericht der Niederlande, dass in den Rechtsschutzversicherungsbedingungen einen Verstoß gegen die Richtlinie 87/344/EWG, Art. 4 Abs. 1 – freie Wahl des Rechtsanwaltes durch den Versicherungsnehmer – gesehen hat.
Der EuGH bestätigt in seinem Urteil vom 07.11.2013 (Rs. C-442/12) die Rechtsauffassung des obersten Gerichts der Niederlande. Die beanstandeten Rechtsschutzversicherungsbedingungen verstossen gegen zwingendes Europarecht, stellt der EuGH fest und betont dabei u.a.:
Der elfte Erwägungsgrund der Richtlinie 87/344 lautet:
„Das Interesse des Rechtsschutzversicherten setzt voraus, dass Letzterer sich selbst einen Rechtsanwalt oder eine andere Person wählen kann, die nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften im Rahmen von Gerichts- und Verwaltungsverfahren anerkannten Qualifikationen besitzt, und zwar immer, wenn es zu einer Interessenkollision kommt“
Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„In jedem Rechtsschutz-Versicherungsvertrag ist ausdrücklich anzuerkennen, dass
a) wenn ein Rechtsanwalt oder eine sonstige nach dem nationalen Recht entsprechend qualifizierte Person in Anspruch genommen wird, um in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren den Versicherten zu verteidigen, zu vertreten oder seine Interessen wahrzunehmen, dem Versicherten die Wahl des Rechtsanwalts oder der sonstigen Person freisteht; (…)“
Dazu stellt der EuGH fest: „Insoweit ist zu erinnern, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 87/344, der die freie Wahl des Vertreters vorsieht, allgemeine Bedeutung hat und verbindlich ist (vgl. Urteile Eschig, Randnr. 47, und Stark, Randnr. 29).“ |Tz. 25
Dabei stellt der EuGH fest, dass die freie Anwaltswahl auch in der außergerichtlichen Vertretung und Interessenwahrnehmung gilt und nicht erst im gerichtlichen Verfahren und es nicht darauf ankommt, ob das nationale Recht die Vertretung durch einen Anwalt vorschreibt. | Tz.32
Dieses Urteil des EuGH ist ein Gewinn für die Rechtsschutzversicherten und erleichtert die Diskussion mit dem Versicherer bei verschiedenen Gestaltungen der Versicherungsbedingungen mit dem Ziel der Kostenübernahme durch den Versicherer.