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Arbeit ohne Lohn – geht das?

Eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm (Urteil vom 17.10.2014, Aktenzeichen 1 Sa 664/14; Vorinstanz Arbeitsgericht Bochum, Aktenzeichen 2 Ca 1482/13) hat es in die Schlagzeilen der Presseberichterstattung gebracht. „Kein Gehalt nach acht Monaten Praktikum im Supermarkt“ titelt der Stern.

Eine Überschrift die erst einmal für sich genommen in der Lage ist, Empörung hervorzurufen. Was war geschehen? Laut Stern verhielt sich der Sachverhalt folgendermaßen:

Eine Praktikantin ist in zweiter Instanz mit dem Versuch gescheitert, vor Gericht Arbeitslohn für ein achtmonatiges Praktikum in einem Supermarkt zu erstreiten. Das Landesarbeitsgericht Hamm wies die Klage der jungen Frau am Freitag zurück und kippte damit ein anderslautendes Urteil das Arbeitsgerichts Bochum. Die Bochumer Richter hatten der Praktikantin im März noch gut 17.000 Euro zugesprochen.

Die Frau war von Oktober 2012 bis Juli 2013 für den Supermarkt-Betreiber tätig gewesen. Vor Gericht machte sie geltend, sie habe während des gesamten Zeitraums 1728 Stunden und 15 Minuten in dem Supermarkt gearbeitet. Dabei habe nicht die Ausbildung, sondern die Arbeitsleistung im Vordergrund gestanden.

Kann das sein? Immerhin regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) zwar, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich zur Vorleistung verpflichtet ist („ohne Arbeit kein Lohn“), dann aber jedenfalls nach erbrachter Arbeit auch einen Anspruch auf die vertragliche oder übliche Vergütung hat (Par. 611, 612 BGB).

Ein besseres Verständnis ergibt sich, wenn wir uns die Pressemitteilung des LAG Hamm zu dem Fall ansehen:

Der Beklagte führte einen Supermarkt in Bochum. Dort beschäftigte er etwa 12 Mitarbeiter. Die Klägerin besuchte bis 2010 die Hauptschule. Im Oktober 2012 bewarb sich die Klägerin bei dem Beklagten um einen Ausbildungsplatz als Verkäuferin und erklärte sich auch bereit, ein Praktikum aufzunehmen. Die Parteien verständigten sich auf die Durchführung eines Praktikums.

Der Beklagte schloss mit dem Bildungszentrum des Handels e.V. als Trägerverein einen „Rahmenvertrag zur Ableistung eines Praktikums“. Er schloss außerdem mit der Klägerin sowie mit dem Trägerverein einen dreiseitigen „Praktikumsvertrag“, der u. a. vorsah, dass die Klägerin einen Einblick in das Berufsfeld mit seinen Arbeitsbedingungen und Arbeitsanforderungen erhalten sollte und Grundkenntnisse des betreffenden Berufsbildes vermittelt werden. Das Praktikum war zunächst für die Dauer eines Monats vereinbart, wurde dann aber mehrmals aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Parteien verlängert.

Die Klägerin war vom 25.10.2012 bis zum 04.07.2013 für den Beklagten tätig. Die Klägerin erhielt in diesem Zeitraum von der Bundesagentur für Arbeit sog. Berufsausbildungsbeihilfe und von dem Trägerverein Zuschüsse für eine Monatskarte für Fahrten im ÖPNV. In den Monaten November und Dezember 2012 nahm die Klägerin an insgesamt acht Tagen an einem Unterricht des Trägervereins teil, der in einer Berufsschule erfolgte.

Die Klägerin hat geltend gemacht, sie habe während ihres gesamten Tätigkeitzeitraums insgesamt 1.728 Stunden und 15 Minuten für den Beklagten gearbeitet. Nicht die Ausbildung, sondern die Arbeitsleistung habe im Vordergrund gestanden, so dass ihre Tätigkeit in Anlehnung an die tariflichen Entgeltstrukturen im Einzelhandel NRW mit 10 € brutto pro Stunde zu entlohnen sei.

Der Beklagte hat vorgetragen, bei dem von der Klägerin absolvierten Praktikum habe es sich um eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme gehandelt, daher bestehe keine Vergütungspflicht. Die Klägerin habe die verschiedenen Tätigkeitsbereiche einer Verkäuferin im Lebensmitteleinzelhandel kennengelernt und sei sowohl durch ihn persönlich wie auch durch weitere Mitarbeiter im Rahmen des durchgeführten Praktikums betreut, begleitet und eingewiesen worden.

Mit dem Urteil vom 25.03.2014 hat das Arbeitsgericht Bochum der Klage stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 17.281,50 Euro brutto verurteilt. Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien kein bloßes Praktikumsverhältnis, sondern ein vergütungspflichtiges Arbeitsverhältnis bestanden habe. Die Klägerin sei als vollwertige Arbeitskraft des Beklagten anzusehen. Sie habe im Betrieb verwertbare Arbeitsleistungen erbracht. Es sei nicht festzustellen, dass der Ausbildungszweck im Vordergrund gestanden habe. Der Beklagte habe nicht konkret dargelegt, welche Fähigkeiten oder Tätigkeiten die Klägerin im Rahmen eines Praktikums zu erlernen hatte, inwieweit Qualifikationsdefizite der Klägerin im Rahmen eines Ausbildungskonzeptes hätten ausgeglichen werden müssen und dies tatsächlich auch geschehen sei. (Quelle: Pressemitteilung des LAG Hamm Nr. 21 vom 14.10.2014)

Die Lektüre dieser ausführlichen Sachverhaltsdarstellung lässt erahnen, worum es hier geht. Die Frage, die es zu entscheiden galt war die, ob es sich um ein Arbeitsverhältnis oder um ein Praktikum gehandelt hat. Das LAG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die ausführliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. In der dazu ergangenen Pressemitteilung Nr. 22 vom 17.10.2014 heißt es jedoch u.a., dass es sich um ein „sozialversicherungsrechtlich geprägtes Praktikantenverhältnis“  gehandelt hat. Es handelte sich um eine berufsvorbereitende Maßnahme (hier das gut 8-monatige Praktikum) der Bundesagentur für Arbeit. Zudem hatte die Klägerin in dieser Praktikumszeit Leistungen der Arbeitsagentur erhalten.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

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