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Arbeitszeugnis bei kurzer Beschäftigungsdauer

Der/Die Arbeitnehmer/in hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf die Erteilung eines Arbeitszeugnisses. Par. 109 Gewerbeordnung (GewO) regelt dies. Der Erfurter Kommentar differenziert den Zeugnisanspruch nach dem Gesetzeswortlaut noch weiter:  „Das Gesetz differenziert  in § 109 I zwischen einfachen und qualifizierten Zeugnissen. Das einfache Zeugnis dokumentiert nur die Art des Dienstverhältnisses und dessen Dauer. Das Zeugnis muss die Tätigkeiten, die der AN im Laufe des ArbVerh. ausgeübt hat, vollständig und genau beschreiben. Es dürfen ledigl. solche Tätigkeiten unerwähnt bleiben, denen bei späteren Bewerbungen des AN keine Bedeutung zukommen kann (BAG 12.8.1976 AP BGB § 630 Nr. 11). Das qualifizierte Zeugnis erweitert den Inhalt eines einfachen Zeugnisses und erstreckt sich auch auf Leistung und Verhalten des AN im ArbVerh. (Abs. 1 S. 3). Der AN hat ein Wahlrecht, ob er ein einfaches oder ein qualifiziertes Zeugnis verlangt. § 109 beinhaltet eine ges. Wahlschuld iSv. § 262 BGB. Der AN kann deshalb nicht beide Zeugnisse beanspruchen.“

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat dazu u.a. festgestellt (Urteil vom 04.03.2009, 3 Sa 1419/08):

Gemäß § 109 Abs. 1 S. 2 GewO muss das Zeugnis mindestens Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit enthalten. Dabei ist mit der Dauer der Tätigkeit der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses gemeint. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung und allgemeinen Auffassung im Schrifttum (BAG, Urt. v. 10.05.2005 – 9 AZR 261/04 – NZA 2005, 1237; BGH, Urt. v. 09.11.1967, BGHZ 49, 30, 33; ErfK/Müller-Glöge, 9. Aufl., § 109 GewO, Rz. 28; Küttner/Reinecke, Personalbuch, 15. Aufl., Zeugnis Rz. 23). Das folgt bereits aus dem Sinn und Zweck des Arbeitszeugnisses. Das Zeugnis soll ein vollständiges und klares Bild des gesamten Arbeitsverhältnisses abgeben.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat festgestellt, dass ein Zeugnis über die bisherigen Tätigkeiten und Leistungen eines Mitarbeiters als Grundlage für dessen spätere Bewerbung wahrheitsgemäß informieren muss (BAG, AP HGB § 73 Nr. 1) und alle wesentlichen Informationen und Bewertungen zu enthalten hat. Zudem muss ein Zeugnis „wohlwollend“ formuliert sein, denn es darf den Mitarbeiter nicht in seinem beruflichen Fortkommen behindern.

Genau hier liegt aber die Krux bei Arbeitsverhältnissen, die nur kurze Zeit gedauert haben. In diesem Fall kann sich der Arbeitgeber kaum einen Eindruck über das Führungs- und Leistungsverhalten eines Mitarbeiters machen. Wenn ein Mitarbeiter Mitte Mai in den Betrieb kommt und nach Urlaubs- und Krankheitstagen Ende September ausscheidet, so verbleiben für die Beurteilung des Führungs- und Leistungsverhaltens zu wenig Arbeitstage. Der Arbeitgeber müsste sich seine Eindrücke hierzu ausdenken oder Verhalten des Mitarbeiters prognostisch in die Zukunft fortschreiben. Das widerspräche jedoch dem Wahrheitsgebot eines Arbeitszeugnisses.

So kann es durchaus vorkommen, dass der grundsätzlich bestehende Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis bei kurzer Beschäftigungsdauer nicht erfüllt werden kann. Darauf sollte der Mitarbeiter auch hingewiesen werden. Das einfache Zeugnis ist dann das Zeugnis der Wahl. Dieses kann jedoch aufgebessert werden, indem der Arbeitgeber eine Schlussformulierung wählt, die nach der Rechtsprechung des BAG nicht geschuldet ist, die sogenannte „Dankes- und Bedauernsformel“.

 

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